Brautradition in und um Gera
Die Wiege des Bierbrauens stand in den Klöstern, im ausgehenden Mittelalter kam es zur
allgemeine Verbreitung dieser Kunst, wie viele anderen Traditionen und Wissenschaften.
- Ursachen für die schnelle Verbreitung des Bierbrauens waren u. a. die veränderten
Eß- und Trinkge- wohnheiten. Es galt als schicklich, scharf gewürzt zu essen (wachsende
Handelstätigkeit brachte viele Gewürze ins Land).
- Die sich ständig vergrößernden Städte konnten die notwendige Trinkwasserqualität
nicht mehr sichern (Brunnen).
- Die Kunst des Winzerns kam ebenfalls aus den Klöstern. Der Weinanbau in der hiesigen
Region hatte aber nur mäßigen Erfolg wegen der klimatischen Bedingungen (kleine Eiszeit).
Markante Namen in Gera (Weinberg, WeinbergStraße) deuten auf die ehemaligen Anbaugebiete
hin). 1487 gab es vier Weinherren im Rat. Im Jahr 1562 gab es eine reichliche Traubenleese.
- Das Ausgangsprodukt für das Bier, die Braugerste, gedieh überall und war nicht in dem
Maß vom Klima abhängig wie der Wein. Anbaugebiete für den Hopfen waren die südliche Vorstadt,
jetzt ErfurtStraße und der Bereich oberhalb der alten Wasserkunst. Bis in die 60er Jahre
waren die Hänge Richtung Zschippern/Collis beliebte Anbaugebiete auch für die Riebeckbrauerei.
- Bier war in dieser Zeit Nahrungsmittel, es bildete meist die Grundlage oder den
Hauptbestandteil der Nahrung. Getrunken wurde nur ein leichtes Bier, ausgereifte Lagerbiere
wurden noch mit Wasser verdünnt.
- 1665 gab es 9 Brauhäuser, in 4 Mühlen wurde Malz geschroten, 99 Häuser waren zu dieser
Zeit brauberechtigt.
- 1853 waren bereits 221 Häuser brauberechtigt, diese Zahl ist etwa identisch mit der
Anzahl der festgestellten Höhler in Gera.
- Das Brauwesen wurde durch ein Brausyndikat (12 ständige und 6 stellvertr. Mitglieder,
die vom Bürgertum gewählt wurden) geregelt.
- Die Brausaison begann im Herbst und endete am 30. April.
- Ursprünglich besaß jeder brauberechtigte Bürger seine eigenen Anlagen zum Brauen.
Dazu dienten u. a. die gewaltigen Kellergewölbe. Mit der zunehmenden Industrialisierung
erfolgte auch eine Zentralisierung des Brauens, es entstanden Sudhäuser, Brauanlagen
"zum allgemeinen Nutzen" u.a. brautechnischen Einrichtungen.
- Die Lagerung des Bieres war in jedem Fall Privatangelegenheit der brauberechtigten Bürger.
- Die Qualität des Bieres bestimmte den Verkaufserlös, deshalb wurde große Aufmerksamkeit
auf die Lagerung gelegt. Die Höhler wurden sauber gehalten und besonderes Augenmerk wurde
auf die Belüftung gelegt. Die meisten Höhler hatten eine über Dach geführte Abluftanlage,
durch die Luftzirkulation wurde auch eine konstante Kühlung erreicht (Nutzung der Verdunstungskälte
von der natürlichen Erdfeuchtigkeit).
- Diese konstante Lagertemperatur hatte Einfluß auf die Haltbarkeit und den Genußwert
des Bieres, denn Bier ist ein sehr empfindliches Getränk. Im Mittelalter war ein gelungener
Brauvorgang im Verhältnis 7 zu 10 normal. Deshalb auch die Redewendung
"da ist Hopfen und Malz verloren".
- In den Gewölbekellern wurde nur das etwas minderwertige "Kellerbier" gelagert, es
war im Verhältnis zum Höhlerbier im Jahr 1813 um 1 Pfennig billiger je Kanne (es entsprach
damals eine Geraer Kanne 0,952 Liter).
- Der öffentliche Bierausschank war durch den Rat reglementiert. Die Bierstange (wo der
liebe Gott den Arm raushängt) zeigte an, wer Gäste in seine Wohnung setzen oder das Bier
über die Straße verkaufen durfte. Nach der Brauordnung von 1723 durften nicht mehr als 9
Bierzeichen (Bierstangen) hängen, diese schankberechtigten Bürger waren eine spürbare Konkurrenz
zu den 6 ständigen Gasthäusern in der Stadt.
- Zum Schutz dieser Privilegien gab es die s. g. Bannmeile. Diese Bannmeile untersagte in
einem bestimmten Umkreis um die Stadt herum die Niederlassung von Handwerkern und das Brauen
und Schenken von Bier.
- Das gebraute Bier war zu dieser Zeit ein Wirtschaftsfaktor. Ein paar Zahlen zu dieser
Entwicklung: 1656 wurden ca. 1.169.00 Liter, d. h. ca. 560 l/Einwohner, Bier gebraut, 1724
2.534.000 Liter und 1753 bereits 3.419.000 Liter.
- Der Transport des Bieres erfolgte über leiterähnliche Holzgestelle, über die die
kleineren Fässer gerollt wurden oder die größeren Fässer wurden mit s. g. "Hebschöffern"
befällt. Die Bierfässer standen in den Höhlernischen auf Sockeln, damit die Kannen zum
Abfällen untergestellt werden konnten.
Quelle: Verein zur Erhaltung der Geraer Höhler e.V.